Zum 25. Jahrestag des Trümmerfrauenurteils kritisiert der Familienbund der Katholiken, dass der Gesetzgeber das Urteil immer noch nicht konsequent umgesetzt hat. „Die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Benachteiligung von Familien in der Rentenversicherung besteht weiterhin“, sagte der Präsident des Familienbundes, Stefan Becker. „Die für die zukünftigen Renten unverzichtbare Kindererziehung wird bei der Rentenhöhe viel zu wenig und bei den Rentenversicherungsbeiträgen gar nicht berücksichtigt. Und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber vor 25 Jahren im Trümmerfrauenurteil dazu verpflichtet hat, die Benachteiligung der Familien mit jeder Rentenreform zu verringern. Diesen Verfassungsauftrag hat der Gesetzgeber eindeutig nicht erfüllt!“
Am 7. Juli 1992 hatten die Karlsruher Richter zugunsten der Trümmerfrau Rosa Rees entschieden. Diese hatte neun Kinder großgezogen, die monatlich insgesamt rund 8.500 Mark in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlten, während ihre Mutter jeden Monat eine kleine Rente in Höhe von 346 Mark erhielt. Dazu Stefan Becker: „Dieser Fall veranschaulicht die Ungerechtigkeit eines Rentensystems, das die Kosten der Alterssicherung sozialisiert, aber die Lasten der Kindererziehung privatisiert. Trotz zahlreicher Rentenreformen besteht das Problem weiterhin: Für die kostenaufwendige Erziehungsleistung, die der Rentenversicherung pro Kind ein Plus von durchschnittlich 77.000 Euro beschert, erhält derzeit ein Elternteil eine Rentenerhöhung von nicht einmal 100 Euro. Und bei den Rentenversicherungsbeiträgen wird das Familieneinkommen grundsätzlich in voller Höhe mit dem vollen Beitragssatz herangezogen. Dass Eltern auch bei den Sozialversicherungsbeiträgen entlastet werden müssen, hat das Verfassungsgericht in Anknüpfung an das Trümmerfrauenurteil ausdrücklich festgestellt.“
Am 3. April 2001 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es dem allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes widerspricht, wenn in einem umlagefinanzierten Sozialversicherungssystem bei der Beitragshöhe nicht danach differenziert wird, ob Kinder betreut und erzogen werden. Stefan Becker betont die Bedeutung des Trümmerfrauenurteils für diese spätere Entscheidung: „Das Trümmerfrauenurteil war der Grundstein, auf den die Verfassungsrichter neun Jahre später aufbauen konnten. Seitdem ist klar: Eine familiengerechte Rentenversicherung setzt voraus, dass die Kindererziehung sowohl bei der Rentenhöhe als auch bei den Rentenversicherungsbeiträgen angemessen berücksichtigt wird. Der Familienbund hält daher die Einführung von Kinderfreibeträgen in der Rentenversicherung für verfassungsrechtlich notwendig und fordert die Berücksichtigung von drei Jahren Kindererziehungszeit auch für vor 1992 geborene Kinder.“
Der Familienbund der Katholiken verfolgt sein Anliegen gemeinsam mit dem Deutschen Familienverband auch vor Gericht. Dem Bundesverfassungsgericht liegen aktuell mehrere Verfassungsbeschwerden vor. Am 20. Juli 2017 befasst sich das Bundessozialgericht zum zweiten Mal mit dem Anliegen der Familien. Weitere Informationen unter www.elternklagen.de