Eltern und Kinder zahlen nach Ansicht des Familienbundes der Katholiken einen zu hohen Preis in der Corona-Krise. Eine angemessene Unterstützung von Familien durch die Politik fehle. „Während viele Eltern zwischen Sorgearbeit, Homeschooling und Erwerbsarbeit an der Belastungsgrenze auf den Burnout zusteuern, werden fehlende Beziehungen, räumliche Enge und überforderte Eltern unweigerlich Spuren in den Seelen von Kindern hinterlassen“, beklagte der Präsident des Familienbundes, Ulrich Hoffmann, am Donnerstag in Berlin. Vier weitere Monate Quasi-Quarantäne seien Familien nicht zumutbar. Der Familienbund fordert vor diesem Hintergrund eine rasche, aber behutsame Rückkehr zu einer familiären Normalität, die dem Leistungsvermögen von Eltern und Kindern entsprächen und den Ansteckungsrisiken mit Corona Rechnung trügen. Kindergärten, Schulen und Spielplätze müssten – mit nötigen Hygienestandards und Vorsichtsmaßnahmen - wieder geöffnet werden. Und es brauche mehr finanzielle Hilfen für Familien. Wirtschaftsunternehmen erhielten Milliarden, während Familien nicht einmal Kitagebühren oder Hortkosten erstattet würden, so Hoffmann. Es brauche auch ein Corona-Erziehungsgeld, die Regelbedarfe in der Grundsicherung und das Kindergeld müssten erhöht werden. Derzeit habe die Politik die Lebensrealität von Familien nicht im Blick. „So wichtig es heute ist, älteren und vorerkrankten Menschen den größtmöglichen Schutz vor einer Corona-Infektion zu bieten, so geboten ist es auch, Eltern und Kindern weiter ein menschenwürdiges und entwicklungsgerechtes Leben zu ermöglichen. Diese zwei Seiten des Lebensschutzes dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren“, sagte Hoffmann.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) dringt auf eine stärkere Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern bei den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. „Wir können nicht in einem Atemzug den Kindern die Schaukel verwehren und gleichzeitig darüber nachdenken, wie wir schnellstmöglich Bundesligaspiele wieder stattfinden lassen“, sagte die Ministerin der Süddeutschen Zeitung (Donnerstag). „Wir reden über bestimmte Dinge, die den Erwachsenen wichtig sind - Baumärkte, Friseure, Geschäfte -, aber wir müssen auch mehr darüber reden, was den Kindern guttut.“ Sie habe sich dafür eingesetzt, mit den Ländern eine gemeinsame Positionierung für die schrittweise Öffnung der Kitas hinzubekommen, die nun in die Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten einfließe, sagte Giffey. „In einer Pandemie kann man keine verlässlichen Zeitpunkte über Wochen und Monate im Voraus nennen, auch wenn sich viele das wünschen.“ Die Jugend- und Familienministerkonferenz habe mit dem Ministerium vier Phasen definiert: „von der Notbetreuung, wie sie gerade ist, über eine erweiterte Notbetreuung, einen eingeschränkten Regelbetrieb bis zurück zum vollständigen Regelbetrieb“. Mädchen und Jungen seien diejenigen, die in der momentanen Lage mit die größten Einschränkungen hätten, betonte die Ministerin. Zunächst hätten andere Themen Priorität gehabt – „zu Recht“. Es könne nicht alles auf einmal gelöst werden. Andere Gruppen seien auch wichtig, etwa Menschen im Pflegeheim oder die, die in der „kritischen Infrastruktur“ arbeiteten. „Im ersten Schritt ging es um den Erhalt der Arbeitsplätze. Das betrifft ja auch viele Eltern.“ Nun gehe es zunehmend um Bewegungs- und Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder. Mit Blick auf Ältere sagte Giffey, dass gefährdete Gruppen besonders geschützt werden müssten, ihnen aber nicht verboten werden solle, das Haus zu verlassen. „Wir müssen an die Eigenverantwortung und die Vernunft jedes einzelnen Menschen appellieren. Es ist ein großer Unterschied, ob ich eine Empfehlung gebe und Schutzmaßnahmen einleite, oder ob ich sage, ich schließe eine gesellschaftliche Gruppe komplett vom öffentlichen Leben aus.“ Die Ministerin sagte, sie spreche sich allgemein, auch für Kinder, für „flexible, stufenweise Lösungen“ aus. Nötig sei auch zu erforschen, wie Kinder sich selbst und andere in der Pandemie ansteckten. Solange es keine besseren wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber gebe, „müssen wir immer vom schlechtesten Fall ausgehen, und das hat direkte Auswirkung darauf, inwieweit Kitas wieder schrittweise öffnen können“, erklärte Giffey. Ihr Haus werde deshalb bis zu fünf Millionen Euro aufwenden, um diese Frage mit Experten erforschen zu lassen. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)