Die Aufarbeitung und Bekämpfung von Kindesmissbrauch bleibt eine Aufgabe in vielen Bereichen der Gesellschaft. Derzeit sprechen Politik und Experten vor allem über Bildung und Sport.
Bund, Länder und Experten nehmen die Bekämpfung von Kindesmissbrauch in Schule und Sport verstärkt in den Blick. Am Mittwoch tauschten sich zunächst die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs und die Kultusministerkonferenz über den Bildungsbereich aus. Der Fokus des Gesprächs lag einerseits auf der Institution Schule als Schutzraum und andererseits auf Schule als Tatort, wie beide Seiten mitteilten.
"Wenn es zu sexueller Gewalt kommt, können und müssen Kindertagesstätten und Schulen Schutzräume sein, in denen Kindern zugehört und Hilfe organisiert wird", sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD). Ein Wegfall dieser Schutzräume - wie während des Corona-Lockdowns - könne schlimme Folgen haben. Experten gehen davon aus, dass statistisch gesehen im Schnitt etwa ein bis zwei Kinder pro Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen sind.
Die Vorsitzende der Aufarbeitungskommission, Sabine Andresen, ergänzte: "Der Blick nach vorn mit Angeboten für die Schulen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen ist wichtig." Ebenso wichtig sei jedoch auch der Blick zurück, um zu erfahren, welche Bedingungen sexuelle Gewalt ermöglichten, warum Mädchen und Jungen sich niemandem anvertrauten und wenn doch, warum ihnen nicht geholfen wurde.
Am Donnerstag und Freitag widmet sich eine Fachtagung in Berlin dem Thema "Sexuelle Gewalt und Schule: Aktuelle Forschungsergebnisse für die schulische Praxis". Die Kultusministerkonferenz und der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, wollen dabei neben der Forschung insbesondere auf ihre gemeinsame Initiative "Schule gegen sexuelle Gewalt" eingehen. Zugleich will das Bundesbildungsministerium seine Förderung für Forschung im Bereich sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten ausweiten. Gemeinsames Ziel ist es, den Schutz von Minderjährigen zu verbessern.
Rörig wird zudem am Freitag ein Positionspapier zum Kampf gegen sexuelle Gewalt vorstellen. Dieser müsse endlich als nationale Daueraufgabe verstanden und kontinuierlich und mit aller Kraft vorangetrieben werden, hieß es bereits im Vorfeld. Dafür sei viel mehr nötig, als Strafandrohungen zu verschärfen. Rörig will seine Empfehlungen auch mit Blick auf die Wahlprogramme der Parteien in Bund und Ländern sowie auf künftige Regierungsprogramme abgeben. In der Vergangenheit hatte der Beauftragte unter anderem verpflichtende schulische Schutzkonzepte gegen sexuelle Gewalt gefordert.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte Ende August einen Gesetzentwurf zur schärferen Bestrafung von Kindesmissbrauch vorgelegt. Danach sollen außerdem Ermittler mehr Möglichkeiten bekommen, Verjährungsfristen ausgeweitet und die Prävention verbessert werden. Zuletzt hatten im September auch die Bundesländer im Bundesrat mehrere Initiativen zum Schutz von Kindern auf den Weg gebracht.
Mitte Oktober steht indes bereits ein weiterer wichtiger Termin in Sachen Aufarbeitung und Bekämpfung von Missbrauch an: Dann will die Aufarbeitungskommission in ihrer vierten öffentlichen Anhörung sexuellen Kindesmissbrauch im Breiten- und Leistungssport thematisieren. Dieser sei bislang noch stark tabuisiert. Betroffene sollen bei dem Hearing berichten und mit Experten sowie Vertretern aus Sport, Politik, Wissenschaft und Praxis sprechen. Zuvor hatte es vergleichbare Anhörungen der Kommission bereits zu Missbrauch in der Familie, in der DDR und im Bereich der Kirchen gegeben. (Familienbund der Katholiken/KNA)