Schulen sollten nach Ansicht des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, dazu verpflichtet werden, ein eigenes Schutzkonzept gegen Missbrauch zu erarbeiten. "Freiwilligkeit allein führt nicht zu einem umfassenden Schutz vor sexueller Gewalt", sagte Rörig am Donnerstag in Berlin. Die Bundesländer sollten daher in ihren Schulgesetzen die verbindliche Einführung und Anwendung von schulischen Schutzkonzepten regeln. Zudem sei personelle und finanzielle Unterstützung erforderlich.
Schulen seien im Kampf gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen in erster Linie zentrale Schutzorte, sagte Rörig. Lehrer und Sozialpädagogen müssten daher in Prävention und Intervention geschult werden. Der Beauftragte äußerte sich aus Anlass einer zweitägigen Fachtagung zum Thema "Sexuelle Gewalt und Schule: Aktuelle Forschungsergebnisse für die schulische Praxis".
Die Vizepräsidentin der Kultusministerkonferenz, Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), sagte, alle Bundesländer hätten Maßnahmen zum Schutz von Schülern vor sexuellen Übergriffen, sexuellem Missbrauch und Gewaltanwendungen ergriffen und umgesetzt. Man dürfe in den Anstrengungen aber nicht nachlassen. Sie könne sich vorstellen, dass in den kommenden Jahren mehr Verpflichtungen für Schulen in diesem Bereich eingeführt werden.
Das Bundesbildungsministerium verkündete unterdessen, die Forschung und insbesondere deren Umsetzung in der Praxis weiter zu fördern. "Sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen darf nicht toleriert werden", sagte Staatssekretär Christian Luft. Es sei gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern, alles dafür zu tun, um Kinder und Jugendliche vor Gewalt jeglicher Art zu schützen. Dabei geht es um Missbrauch, aber auch um Mobbing oder die unbefugte Veröffentlichung persönlicher Fotos.
Aktuellen Studien zufolge sind im Durchschnitt in jeder Schulklasse in Deutschland ein bis zwei Kinder oder Jugendliche von sexueller Gewalt betroffen oder waren es in der Vergangenheit. Laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts aus dem vergangenen Jahr hatten nur 13 Prozent der Schulen und 22 Prozent der Kindertagesstätten angegeben, nach eigener Einschätzung ein umfassendes Schutzkonzept gegen Missbrauch zu haben. Zu einem solchen Konzept gehören unter anderem Fortbildungen, Beschwerdemöglichkeiten und ein Handlungsplan für Verdachtsfälle. (Familienbund der Katholiken/KNA)